SCHUMMELN
Geschrieben von Bert Plomp
Mein Vater war in jungen Jahren ein talentierter Fußballspieler. Er spielte jahrelang als Mittelstürmer in der ersten Mannschaft von VELOX an der Koningsweg in Utrecht. Die Leidenschaft für Fußball und Sport im Allgemeinen haben meine beiden Brüder und ich von ihm übernommen. Nach seiner aktiven Fußballzeit blieb er in seiner Freizeit sportlich aktiv. Besonders im Sommer auf dem Campingplatz. Dort spielten mein Vater, Theo, Charles und ich den ganzen Tag Badminton. Fast jeden Tag wurde stundenlang mit großem Eifer um Punkte gekämpft. Meine Brüder und ich waren auch von klein auf sehr an Langstreckenläufen interessiert. So nahmen wir jeden Sonntagnachmittag am Rennen rund um den Campingplatz in Doorn teil. Ein Lauf über fünf Kilometer. Oft kamen wir als eine der ersten drei über die Ziellinie. Angespornt vom Erfolg seiner Jungen beschloss mein Vater auch einmal teilzunehmen. Er war damals etwa fünfzig Jahre alt. Die athletischen Fähigkeiten ließen bei ihm etwas nach. Sein linkes Knie war durch eine alte Fußballverletzung weit von der Bestform entfernt. Außerdem hatte er mit einem unübersehbaren Bäuchlein zu kämpfen. Als wir gerade losgelaufen waren und ich noch in seiner Nähe war, hörte ich aus dem Gebüsch einen Zuschauer schreien: “Was kommt da für ein altes Kaninchen angerannt?”. Mein Vater verstand sofort, dass sich diese Bemerkung nicht auf mich, sondern auf ihn bezog. Er hat die fünf Kilometer noch durchgehalten, aber danach habe ich ihn nie wieder am Start dieses Events gesehen.
Spiele spielen war auch eine beliebte Beschäftigung meines Vaters. Besonders Kartenspiele und Dame. Es war jedoch ärgerlich, dass er immer schummelte. Besonders beim Klaverjassen. Während dieses Kartenspiels schaffte er es immer wieder, die Karten so zu mischen, dass er betrogen hat. Weil er in Bezug auf Fingerfertigkeit nicht im Schatten von Fred Kaps stand, ein damals berühmter Zauberer, war für alle klar, dass er schummelte. Dennoch leugnete er das vehement. Oft wurde um Geld gespielt, besonders wenn Familienbesuch kam. Wie klein der Einsatz auch war, sobald es um Geld ging, war das Spiel schnell vorbei. Die Karten wurden weggeschmissen und das Spiel endete immer in einem heftigen Streit.
Ein weiteres Spiel, in dem mein Vater sehr geschickt war, war das “Roboterspiel”. Dabei spielte ein kleiner Roboter die Hauptrolle. Dieses rechteckige, metallene Männchen stand sehr selbstbewusst im Zentrum des Spielbretts und hielt einen Zeigestock in seiner Hand. In Erwartung einer gestellten Frage befand es sich in einer neutralen Position. Während des Spiels mussten Fragen zu verschiedenen Themen beantwortet werden. Diese Fragen waren links auf dem Brett in einem Kreis angeordnet. Die Antworten, ebenfalls kreisförmig, befanden sich rechts auf dem Brett. Der Spieler, der an der Reihe war, griff nach dem Roboter an seiner Taille und platzierte ihn fest in einer Vertiefung im Mittelpunkt des Fragenkreises. Nachdem das Männchen auf seinem drehbaren Fußsockel so gedreht worden war, dass es die gewünschte Frage zeigte, musste diese beantwortet werden. Um die Richtigkeit der Antwort zu überprüfen, wurde der Roboter dann auf eine runde, glänzende Metallplatte im Zentrum des Antwortkreises gestellt. Nach einigen unsicheren Drehungen zeigte der Roboter zur Verblüffung aller Spieler schließlich die richtige Antwort an. Ich war regelmäßig sprachlos darüber, wie mein Vater fast jede Frage richtig beantworten konnte. Es spielte keine Rolle, um welches Thema es sich handelte. Das war umso bemerkenswerter, da er nie die Gelegenheit hatte, eine bedeutende Ausbildung zu absolvieren. Während eines weiteren Roboterspiels wurde mir plötzlich klar, dass mein Vater einfach alle Fragen und Antworten auswendig gelernt hatte. Dieses Phänomen erlebe ich auch heute noch ab und zu. Dann werde ich nichtsahnend zu einem Spiel “Trivial Pursuit” eingeladen. Meine Erfahrung ist, dass jemand, der so gerne solche Spiele mit dir spielt, alle Fragen und Antworten bereits unzählige Male gehört hat. Wenn du das Spiel jedoch nicht besitzt, hörst du diese Fragen normalerweise zum ersten Mal. Du bist dann schnell versucht zu denken, dass der andere so viel und du so wenig weißt. Das kann dazu führen, dass du ein starkes Minderwertigkeitsgefühl entwickelst. Also nicht machen. Einmal habe ich während eines solchen geselligen Spiels mit meinem Bruder und seinem Sohn erlebt, dass ich die richtige Antwort gegeben habe. Die Antwort lautete: Schwarzwälder Kirschtorte, der Originalname des gefragten Gebäcks. Zu meiner großen Bestürzung wurde diese Antwort kategorisch abgelehnt. Auf der Antwortkarte stand der niederländische Name dieses Gebäcks. Ich konnte die vermeintliche Allwissenheit meines Vaters damals entlarven, indem ich mit etwas Gewalt den Oberkörper des eigensinnigen Roboters um eine halbe Drehung drehte. Von diesem Moment an war der Roboter völlig durcheinander. Er zeigte die absurdesten Antworten an. Da ich wusste, um wie viele Grad das Männchen aus seiner normalen Position gedreht wurde, bewertete der Roboter meine seltsamen Antworten jedes Mal als richtig.
ENDE
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