NETTE JUNGE LEUTE
Geschrieben von Bert Plomp
Meine Mutter war eine kämpferische Frau. Nie zu scheu, ihre Meinung kundzutun. Gegen wen auch immer, und wo auch immer. Ihr kritischer Blick war verheerend. Dieser Blick brachte so manchen dazu, sich zusammenzukauern, noch bevor sie etwas gesagt hatte. Diese Haltung stieß nicht immer auf Wohlwollen. Ich befürchte, dass ich in dieser Hinsicht auch etwas von meiner Mutter geerbt habe. Allerdings bringe ich die Dinge nicht so schnell auf die Spitze.
Die Beziehung zu meiner Mutter war lange Zeit ziemlich holprig. Erst als ich endgültig ausgezogen war, verbesserte sich das Verhältnis zu ihr. Sie hatte es auch nicht gerade leicht mit einer Bande provokanter Jugendlicher im Haus. Außerdem fand ich, dass sie mich in jungen Jahren oft im Stich ließ. Mich in wichtigen Situationen nicht unterstützte oder vor der “bösen Außenwelt” schützte. Liebesbeweise gab es schon gar nicht. Das passte auch nicht in die altmodische, strenge Erziehung von damals. Von väterlicher Seite war übrigens auch nichts zu erwarten. Es hätte ganz anders kommen können, wenn sie einen Hauch mütterlicher Fürsorge gezeigt hätte, wie es eine leidenschaftliche Antillianerin tun würde. Eine Mutter, die durch dick und dünn für ihren Nachwuchs geht. Wie eine Löwin ihr Kind beschützt. Die ihr ganzes Leben für sein Wohlergehen gibt. Die absolut nichts Negatives über ihr Kind hören will, selbst wenn es ein Top-Krimineller ist.
Es verwunderte mich jedoch, dass meine Mutter sehr am Schicksal anderer Kinder interessiert war. Kleine, die während ihrer Zeit beim Heilsarmee ihr anvertraut wurden. Kinder in Waisenhäusern, die sie in den Armen hielt und liebevoll pflegte. Vielleicht dachte sie: Im Vergleich zu diesen Waisenkindern und der Aufmerksamkeit, die ich selbst früher bekam, haben meine Jungs nichts zu beklagen. Damit hatte sie natürlich völlig recht. Ich nehme ihr das also nicht übel.
Nach dem Tod meines Vaters wurde die Beziehung zu meiner Mutter immer besser, und ich habe viel Freude an ihr gehabt. Sie konnte es gut ertragen, dass ich sie oft neckte. Ich nahm sie oft wegen ihres Glaubens aufs Korn. Sie hatte längst die Hoffnung aufgegeben, dass jemals ein gottesfürchtiger Mensch aus mir werden würde. Dass ich jemals Wert auf ihren Glauben legen würde. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich in ihren Augen schon viel zu lange völlig von Gott losgelöst war, dass sie mich immer wieder dazu zu überreden versuchte, zur “EO-Jongerendag” zu gehen. Jedes Jahr wies sie mich auf dieses christliche Fest im Galgenwaard-Stadion in Utrecht hin. Dass es wieder anstand. Dass an diesem Tag so viele nette junge Leute teilnahmen. Jugendliche wie ich. Also überhaupt nicht so heilig. Sie sagte gerade noch nicht: Wenn du heiße Mädchen treffen willst, musst du nach Galgenwaard gehen. Ich habe es nie geschafft, ihrer Empfehlung auch nur einmal zu folgen. Diese Leute waren zwar jung, aber damit endeten auch schon alle Gemeinsamkeiten mit mir. Später wurde mir klar, dass wenn bei solch einem christlichen Treffen nette junge Männer wie Arie Boomsma auftauchten, es sicherlich auch junge Frauen dieses Kalibers gab. Also eine verpasste Gelegenheit.
Mein jüngerer Bruder Charles und ich hatten kein Interesse an einer christlichen Karriere. Zum großen Bedauern meiner Eltern bemühten wir uns nach Kräften, uns so schnell wie möglich dem göttlichen Auge zu entziehen. Mein ältester Bruder Theodorus, auch bekannt als Gottesgeschenk, war damals etwas frommer geraten. Außerdem war er wissbegieriger und wollte auch etwas aus der Heiligen Schrift lernen. Sonntags wurden die drei Brüder zur Sonntagsschule geschickt. Für diese als notwendig erachtete christliche Nachhilfe bekam jeder etwas Kollektengeld mit. Die besagte Schule befand sich in einer Seitenstraße der Adriaen van Ostadelaan, schräg gegenüber der dortigen reformierten Kirche. Obwohl Theo den Katechismus treu besuchte, beschränkten Charles und ich uns auf zwei Besuche dieses Unterrichts in der Glaubenslehre.
Am Ende des zweiten Besuchs wurden wir höflich, aber dringend gebeten, nicht wiederzukehren. Wir hatten während der Bibelerzählungen nämlich laut geflucht. Dennoch gingen Charles und ich noch monatelang sonntagmorgens zur Sonntagsschule. Das Kollektengeld wurde jedoch anderweitig ausgegeben. Für Pommes und Cola in einem nahe gelegenen Imbiss.
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