BRAUNE BEINE
Geschrieben von Bert Plomp
In deinem Leben machst du viele Erfahrungen. Du triffst viele Menschen. Du musst allerhand durchstehen. Du siehst viel Elend. Du schaust zahllose Filme und Fernsehserien, und du besuchst Fußballspiele, Konzerte und so weiter. Aus all diesen Erfahrungen nimmst du etwas mit. Mit einigen davon fängst du selbst an. Bestimmte Personen nimmst du als Vorbild. Als Leitfaden dafür, wie du als Individuum auf andere wirken möchtest.
Als kleiner Junge, als ich noch in der Grundschule war, bedeutete Fußball buchstäblich alles für mich. Zusammen mit meinen Freunden spielte ich jeden freien Moment des Tages Fußball. Nicht nur mit einem Ball, sondern mit allem, was sich bewegen wollte. Von Gemüsedosen bis zu Steinen.
Es wurde während der Pausen auf dem Schulhof Fußball gespielt. Nach der Schule auf dem Marktplatz. Am Samstag auf einem der Felder von VELOX. Sonntags wurde normalerweise nicht Fußball gespielt. Nicht, weil es der “Tag des Herrn” war. An Sonntagen gingen die Jungs und ich auf das VELOX-Gelände oder nach Galgenwaard, um Fußball zu schauen.
Zusammen mit meinem Freund Joop durfte ich mit den “großen Jungs” aus der Nachbarschaft mitspielen. Wahrscheinlich, weil wir besser Fußball spielten als der Rest der “kleinen Jungs”. An die Teilnahme wurden jedoch harte Bedingungen geknüpft. Joop und ich mussten beide im Tor stehen. Das war nämlich die am wenigsten begehrte Position auf dem Feld. Im Tor zu stehen bedeutete nämlich, bereit zu sein, sich auf den Fliesen auszustrecken, auf dem harten Boden in eine Ecke des Tores zu tauchen, um einen Ball zu parieren. Das Torwartsein bedeutete auch, dass du, wenn der Gegner gegen dich ein Tor erzielte, den Ball wieder holen musstest. Wenn du das Tor auf der nassen Seite des Platzes verteidigst, bleibt der Ball oft fünfzig Meter hinter deinem Rücken liegen. Wenn der Torschütze sehr hart geschossen hatte, landete das Projektil sogar im Kromme Rijn. Dann warst du als Torwart wirklich der Gelackmeierte. Es kostete oft eine halbe Stunde, um den Ball wieder trocken zu bekommen.
Mit Stöcken und Steinen versuchte man, den Ball in deine Richtung oder auf die andere Seite des Flusses zu manövrieren. In letzterem Fall musstest du auch noch die Prinsenbrug überqueren, um auf das andere Ufer zu gelangen. Dann legtest du noch viel mehr Meter zurück. Da das Wasser in einem Fluss normalerweise nicht stillsteht, kam der Ball oft wieder ans Ufer, ungefähr auf Höhe des Pieter Baancentrum. Etwa fünfhundert Meter entfernt vom Ort, an dem er ins Wasser gegangen war. In der Mitte des Ledig Erf.
Eigentlich war niemand bereit, am Pieter Baan einen Ball aus dem Wasser zu fischen. Diese psychiatrische Beobachtungsklinik, dieses Gefängnis, beherbergte psychisch gestörte Verbrecher und Mörder. Mörder wie Hans van Z. Wenn ich dort mit dem Ball spielte, hatte ich immer das beängstigende Gefühl, dass hinter meinem Rücken ein gefährlicher Verrückter über die Gefängnismauer klettern würde, um mich von hinten anzugreifen. Manchmal dauerte das Herausholen des Balls so lange, dass der Rest der Fußballspieler nach Hause ging.
Als ich auf dem Platz die Position des “Fliesentauchers” einnahm, verteidigte Frans de Munck die Torlinie im nahegelegenen Stadion Galgenwaard von dem durch Training starken DOS. Frans war ein allseits gefeierter Torwart. Er war in jenen Tagen auch Torhüter der niederländischen Nationalmannschaft. Es ist nicht verwunderlich, dass dieser fantastische Sportler mein erstes großes Idol wurde. Nicht zuletzt, weil sein Spitzname “der schwarze Panther” war. Dieser Spitzname sprach besonders meine Vorstellungskraft an. Frans verdankte diese Bezeichnung nicht nur der Tatsache, dass er viele spektakuläre, katzenartige Rettungen machte. Dieser mediterran getönte Torhüter war außerdem mit einer wunderschönen, pechschwarzen Haartolle gesegnet. So eine glänzende, tief schwarze, gesunde Haarpracht, wie man sie damals in Brylcreem-Werbungen sah. Und als ob das noch nicht genug Segen für eine Person wäre, lächelte er dir unter der Latte mit einem straff organisierten, schneeweißen Gebiss entgegen.
Wenn du dich nicht zum Narren rennen musstest, um einen Ball zu holen, standst du als Torwart, besonders an Wintertagen, oft blau vor Kälte. Wenn du von den anderen Jungs ernst genommen werden wolltest, erschienst du im kurzen Hosen auf dem Platz. Bei jedem Wetter. In einer langen Hose sein Tor zu verteidigen, war nicht cool. Das kam also nicht in Frage. Damit schadetest du dem Ansehen des Ganzen. In den Glanzzeiten von Frans de Munck war es genauso unansehnlich, wenn aus diesen kurzen Hosenbeinen weiße Beine herausragten.
Mit dem Vorbild meines Idols ging ich so weit, dass ich mir vor Beginn des Spektakels meine Beine vornahm. Mit etwas brauner Schuhcreme rieb ich meine Gliedmaßen ein. Nicht nur für den mediterranen Effekt, sondern auch gegen die Kälte. Gegen Anzeichen von Gänsehaut, was auf Angst vor dem Gegner hindeuten könnte. So hoffte ich, Eindruck auf die Stürmer des Gegners zu machen. Jungs, die es auf mein Tor abgesehen hatten. Um die Wirkung noch zu verstärken, trug ich dazu noch schneeweiße Fußballstutzen. Die Nachahmung beschränkte ich auf braune Beine. Weiterhin konnte ich ohnehin nicht mit den Qualitäten von Frans mithalten. Außerdem hatte ich Milchbubenhaare und erst vor kurzem gelernt, regelmäßig meine Zähne zu putzen.
Heutzutage ist das Nachahmen eines Idols ein Kinderspiel. Eigentlich ein Spiel mit vielen Cent. Wenn du genug dafür übrig hast, kannst du operativ alles Mögliche an deinem Äußeren machen lassen. Du kannst dir ein völlig neues Gesicht verpassen lassen. Du kannst deinen ganzen Körper umbauen lassen. Du kannst deine Zähne so strahlend weiß bleichen lassen, dass du einen Gegner damit blenden kannst. Trotzdem habe ich nicht den Eindruck, dass ein Mensch durch all diese künstlichen Eingriffe glücklicher wird. Gib mir lieber den echten Frans de Munck. Übrigens, Schuhcreme benutze ich schon lange nicht mehr. Nicht einmal, um meine Schuhe zu putzen.
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