MACH EINFACH NORMAL
Geschrieben von Bert Plomp
Es war völlig undenkbar, zu Hause sexuelle Aufklärung zu bekommen. Meine Eltern schämten sich nämlich für alles, was mit Sex zu tun hatte. Dies lag vor allem an ihrer übertrieben calvinistischen Natur. Es war sicherlich nichts, worauf ich mich freute, aber meine Eltern habe ich nie nackt gesehen. Geschweige denn, dass ich gesehen habe, dass sie sexuellen Kontakt hatten.
Ich war 8 Jahre alt, als meine Schwester geboren wurde. Ich hatte keine Ahnung, wo dieses Mädchen plötzlich herkam. Ich verstand schon gar nicht, was dieses Kind in unserer überfüllten Wohnung suchte.
Es war sicherlich keine großartige Unterkunft. Ihr plötzliches Erscheinen wurde sehr geheimnisvoll behandelt. Als ob es etwas Übersinnliches wäre. Es erinnerte mich an den Nikolausabend. Aus dem Nichts stand plötzlich ein großer Sack mit Geschenken vor der Tür. Wie ich bereits bemerkte, musstest du alles selbst herausfinden. Auch dieses Phänomen.
Wenn du geärgert wurdest, konntest du nicht auf Trost oder Unterstützung zählen. Das Gegenteil war dein Schicksal. Wenn ich in der Schule wieder einmal wegen meiner langsamen Sprache geneckt wurde, machten meine Eltern zu Hause noch eins drauf und imitierten meinen langsamen Sprechstil. Es war auch üblich, dass, wenn du irgendwo berechtigt oder unberechtigt Ärger bekommen hattest, du zu Hause auch noch eins auf den Deckel bekamst. Wenn du Schmerzen hattest oder krank warst, gab es keine warme Fürsorge, um dir durchzuhelfen. Nur einmal habe ich erlebt, dass diese Hilfe vorhanden war. Als ich etwa vier Jahre alt war und unter heftigen Bauchkrämpfen litt, rieb meine Mutter meinen Bauch, um den Schmerz zu lindern.
Die positive Seite einer solchen Kindheit ist, dass du schnell lernst, auf eigenen Beinen zu stehen. Dass du nicht davor zurückschreckst, es alleine gegen den Rest aufzunehmen. So wie ich das in der Grundschule ein paar Mal gemacht habe, als ich von einer Gruppe geärgert wurde. Dann schlug ich einfach denjenigen, der die anderen aufstachelte. Wenn ich in meinen jungen Jahren etwas Unrechtes tat, bekam ich von meinem Vater einen Klaps um die Ohren oder von meiner Mutter einen Schlag mit dem Gehstock. Meine Mutter wollte sich nämlich ihre eigenen Hände nicht wehtun.
Kinder klopfen aus einem bestimmten Grund lieber bei ihrem Vater an und aus einem anderen bei ihrer Mutter. Eine solche Abwägung hatte in meinem Zuhause keinen Sinn. Du bekamst immer eine Absage, und wenn etwas nicht stimmte, endete es immer in zusätzlichen Schlägen. Dann wusstest du sowieso, woran du warst. Das schafft Klarheit, dachten sich meine Eltern wohl. In ihrer eigenen Jugend ging es noch um einiges härter zu.
Trotz aller erzieherischen Maßnahmen kann ich auf eine unglaublich schöne Kindheit zurückblicken. Sobald ich das Haus verlassen hatte, entwickelte sich eine sehr angenehme Beziehung zu meiner Mutter.
Mein Vater verstarb leider im Alter von nur 59 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war ich 27 Jahre alt. Leider hatte ich nicht wirklich die Gelegenheit, ihn besser kennenzulernen. Mein Vater war von Natur aus ein sanfter Mann. Er verteilte Schläge nur, wenn meine Mutter ihn dazu lange gedrängt hatte.
Äußerlich ähnele ich meinem Vater mehr, abgesehen von seinem Lockenkopf. Mein Haar ist glatt und wird oft als “Bauernhundehaar” bezeichnet.
Charakterlich habe ich von beiden Elternteilen etwas geerbt. Die “no nonsense” Haltung und die Sturheit stammen zweifellos von meiner Mutter. Die sportliche und etwas sanfte Art kommt von der Seite meines Vaters.
Was ich wirklich von beiden übernommen habe, ist: Sei einfach normal, dann bist du verrückt genug. Ein typisches Motto meiner Mutterfamilie. Eigentlich von ganz Holland, damals wie heute.
Durch ihr Verhalten haben meine Eltern maßgeblich dazu beigetragen, dass ich schon sehr früh selbstständig war und meinen eigenen Weg in der Gesellschaft suchte.
Deshalb konnte ich im späteren Leben leicht in jeder Gesellschaft bestehen und war nicht schnell zu beeindrucken.
Dafür danke ich euch herzlich, liebe Eltern.
ENDE
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