TANNENDUFT UND ERBROCHENES
Geschrieben von Bert Plomp
Dezember ist für mich der gemütlichste Monat des Jahres. Das war früher so, das ist immer noch so und das wird wohl auch so bleiben. Während ich dies schreibe, befinde ich mich mit Cynthia und den vier Border Collies in unserem Waldhaus in den Bergen von Dingle. Während der große Holzofen knistert, höre ich eine Sammlung schöner keltischer Weihnachtsmusik. Im Hintergrund höre ich das Knistern von Kiefernholz im Kamin. Dieses Knistern wird fast vom Getöse des herabstürzenden Wassers übertönt. Das wilde Wasser bahnt sich über einen Bach vor dem Haus seinen Weg über eine Reihe von Wasserfällen zum Atlantik. Von meinem Schreibtisch, der vor einem der Dachfenster im Wohnzimmer im ersten Stock aufgestellt ist, blicke ich auf die verschneiten Gipfel der umliegenden Berge. Auch in diesem Jahr steht kein Weihnachtsbaum im Haus. Unser Waldhaus ist bereits reichlich von ‘Weihnachtsbäumen’ umgeben. Durch Tausende verschiedener Nadelbäume. Außerdem stehen überall entlang des Flusses Stechpalmenbäume. In dieser Hinsicht gibt es also mehr als genug Weihnachtsschmuck. Dagegen brennen drinnen hier und da große Kerzen. Für mich hat Weihnachten bereits begonnen.
Da der Nikolaus früher zu Hause bei meinen Eltern so gut wie nichts bedeutete und an diesem Tag selten etwas Bedeutendes auszupacken war, fand ich die Tage rund um Weihnachten und Silvester viel gemütlicher. In den fünfziger-sechziger Jahren war es sehr ungewöhnlich, sich gegenseitig wegen des Weihnachtsfestes mit Geschenken zu verwöhnen. Die Geburt des Kindes galt als mehr als ausreichendes Geschenk für die ganze Menschheit. Daher musste ich mich nicht schämen, weil für mich nichts unter dem Baum lag, das auf mich wartete. Sobald der Mann mit dem Mitra seine Fersen gelichtet hatte und das Kind mit seinem jährlichen Aufmarsch begonnen hatte, wurde auf dem Marktplatz in meiner Nähe ein riesiger Weihnachtsbaum aufgestellt. Das geschah nicht nur im Napoleonplantsoen, sondern gleichzeitig auch an verschiedenen anderen Orten in der Stadt. Ein solcher Weihnachtsbaum wurde von der Gemeinde aufgestellt und mit Hunderten von Lichtern geschmückt. Obwohl der Marktplatz zwischen Hochhäusern eingeschlossen war, roch man sofort in der weiten Umgebung den herrlich prickelnden, frischen Duft eines Nadelwaldes. Wenn es gegen vier Uhr nachmittags dunkel zu werden begann und die Lichter angingen, schien es, als ob bei den Anwohnern auch ein Schalter umgelegt wurde. Alle befanden sich sofort in guter Stimmung. Als ob das Brennen der Weihnachtsbeleuchtung die Menschen auf der Straße sofort sympathischer füreinander werden ließ. Der brennende Weihnachtsbaum hatte den zusätzlichen Vorteil, dass auf dem Platz durch das zusätzliche Licht etwas länger Fußball gespielt werden konnte. Obwohl die Länge des Spielfeldes durch den Raum, den der Baum einnahm, erheblich verkürzt wurde.
Der letzte Tag vor den Weihnachtsferien war für mich der schönste Schultag des Jahres. An diesem Tag gingen wir nicht nur früher nach Hause, sondern auch jedes Weihnachtsgesteck wurde der Öffentlichkeit preisgegeben. Diese selbstgemachten Dekorationen wurden in den Wochen vor den Ferien hergestellt. Ausgestattet mit einer echten brennenden Kerze waren sie auf den Tischen in allen Klassen ausgestellt. Im ganzen Schulgebäude lag der köstlich prickelnde Duft von frischem Tannengrün und brennendem Kerzenwachs. Nach einer schönen Weihnachtsgeschichte des Lehrers, begleitet von einer Tasse heißer Schokolade und einer mit Butter bestrichenen Scheibe Rosinenbrot mit Marzipan, fand in der Aula der Schule die allgemeine abschließende Weihnachtsfeier statt. Bei diesem Finale führten die Schüler der höchsten Klassen ein selbstinszeniertes Theaterstück auf. Mit dem Stück ‘Der Herr ist mein Hirte’ habe ich einmal Furore gemacht und einen bleibenden Eindruck auf Mitschüler und Lehrer hinterlassen.
Auch zu Hause war es während der Weihnachtszeit recht gemütlich. Obwohl ich alle Weihnachtsmusik, die über das Radio, vom Heilsarmee und anderen christlichen Institutionen zu uns kam, damals nicht so schätzen konnte. Dennoch brachte diese Musik eine friedliche Stimmung ins Haus. Eine Stimmung, die sonst schwer zu finden war. Es wurden Spiele gespielt und leckere Häppchen gab es zu genießen. In der Weihnachtsnacht um Mitternacht wurden wir auch zu Hause mit einer dick bestrichenen Scheibe Christstollen und einer Tasse heißer Schokolade erfreut. Von dieser Scheibe aß ich immer zuerst das Rosinenbrot um die Mandelpaste herum. Ich bewahrte die süße Füllung für die letzten paar Bisse auf. Andere strichen die Paste gerade über die ganze Scheibe oder löffelten sie zuerst heraus. Ich behielt lieber das Beste für den Schluss. Ich muss zugeben, dass ich diese Tradition immer noch hochhalte. Es gibt nur wenige Leckereien, mit denen man mir eine größere Freude machen kann. Außerdem macht das Abspielen von Weihnachtsmusik einer Brassband des Heilsarmees im Hintergrund das Ganze komplett. Nach dem Verzehr des Christstollens war es höchste Zeit, dem Kind Ehre zu erweisen. Anfangs wurde über das Radio, später über den Fernseher, geistiger Kontakt mit dem Kind im Krippe gesucht. Diese Verbindung wurde hergestellt, indem man eine Übertragung einer Messe in irgendeiner Kirche einschaltete. Nach der Messe tauchte jeder mit einem friedlichen und zufriedenen Gefühl in seine eigene Krippe ein.
Einmal wurde der Aufbau einer friedlichen Atmosphäre am Heiligabend sehr grob gestört, zumindest in den Augen meiner Eltern. Das geschah, als Charles und ich zu Beginn dieses heiligen Abends beschlossen, uns die Weihnachtsspezialausgabe von ‘Sjef van Oekel’ anzusehen. In dieser besonderen Folge lag ein total betrunkener Sjef auf der Straße. Dort steckte er seinen Kopf in die Fahrradtasche von Pastor Bongers, um diese Tasche dann vollzukotzen. Inzwischen stand der Ehrwürdige des Jugendpastorats drinnen. Dort stand er, mit einem großen Glas Schnaps in der Hand, um eine Weihnachtspredigt vorzubereiten. Meine Eltern waren wirklich außer sich. Sie versuchten mit aller Macht, diese gottlose VPRO-Vorstellung vorzeitig abzubrechen. Charles und ich waren jedoch inzwischen groß und stark genug, um sie daran zu hindern. Es war ein ziemlich brutaler Start für das Weihnachtsfest der beiden Brüder.
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