DAS GESCHENK VON GOTT
Geschrieben von Bert Plomp
Eigentlich ist es ein Wunder, dass in dieser Zeit so viele Spitzenfußballer hervorgegangen sind. Aber auch wieder nicht. Durch das Auftreten von Parkwächtern und ähnlichen Leuten wurden die Spieler gezwungen, ihre Fähigkeiten unter schlechten Bedingungen zu entwickeln. Nämlich auf dem Kopfsteinpflaster. Dadurch konnten sie auf dem Rasen noch besser zurechtkommen.
Die Verlockung, auf einem echten Rasenplatz Fußball zu spielen, war für mich oft zu groß. Aus diesem einfachen Grund saß ich viele Nachmittage im Polizeirevier fest. Eingesperrt, als wäre ich ein Verbrecher, in einer Zelle des vermaledeiten Polizeireviers am Ledig Erf.
Meine Eltern fanden es eigentlich ganz in Ordnung. Ein Störenfried weniger im Haus. Außerdem lernte man so, das Gesetz und die Autorität zu respektieren, dachten sie wohl. Schade, dass Onkel Kobus nichts davon mitbekommen hat, er hätte sicherlich gewusst, was zu tun ist.
Am Ende eines Nachmittags im Herbst, nachdem er seine Hausaufgaben erledigt hatte, ging Theo mit den anderen Jungs noch eine Runde Fußball auf den Platz. Bevor er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, nutzte meine Mutter die Gelegenheit, ihm eine kleine Aufgabe mitzugeben. Sie bat ihn, einen Kanister Petroleum aus dem Kellerabteil mitzunehmen. Der Boden des Tanks der Ölheizung im Wohnzimmer war nämlich in Sicht. Gehorsam wie immer nahm Theo den Kanister mit hinunter zum großen Öltank im Kellerabteil. Wir wohnten damals im dritten Stock. Das Kellerabteil befand sich vier Stockwerke tiefer im Wohnblock. Der dort aufgestellte Tank war an diesem Nachmittag noch sicher zu einem Viertel gefüllt. Der Druck auf den Hahn war jedoch ein wenig nachgelassen. Es waren immer noch ungefähr zweihundert Liter Petroleum im Tank.
Da es aufgrund der reduzierten Zapfbelastung ziemlich viel Zeit kostete, den Kanister voll laufen zu lassen, platzierte der angehende Gelehrte die Öffnung der Dose mit großer Präzision unter den Hahn des Öltanks und berechnete, wie viel Zeit es dauern würde, bis das Gefäß gefüllt war. Er kam zu dem Schluss, dass damit sicher eine halbe Stunde verbunden war. Zur Sicherheit und um noch etwas Zeit zu gewinnen, drehte er den Hahn nur um ein Viertel auf. Es schien rechnerisch alles in Ordnung zu sein. Zufrieden mit seinem Plan eilte er auf den Platz für eine Runde Fußball.
Sein Schrecken und auch der Rest der Familie waren groß, als meine Mutter am nächsten Morgen beim Frühstück vorsichtig nach dem Zustand und dem Verbleib des Kanisters mit Öl fragte.
Mit Theo an vorderster Front eilte ich zum Öltank. Mit drei Stufen gleichzeitig stürzte ich die Treppen hinunter zum Keller, auf dem Weg zum Ort des Unglücks. Wie mein Brüderchen Charles und meine Schwester Saskia wollte ich den Höhepunkt keinesfalls verpassen. Den Moment, in dem meine Eltern die verheerenden Folgen von Theos Nachlässigkeit bemerkten.
Als sich alle im Untergeschoss versammelt hatten, konnte dort einstimmig festgestellt werden, dass der Boden des Kellerabteils mit einer kräftigen Schicht Petroleum bedeckt war. Damit war die Feststellung jedoch nicht getan. Auch der große Winterkartoffelvorrat hatte es im Kellerabteil nicht trocken gehalten.
Da meine Eltern damals wirklich nicht wohlhabend waren, danach übrigens auch nicht, war das wirklich eine Katastrophe.
Es hätte nicht viel gefehlt und Theodorus, wörtlich übersetzt “Geschenk Gottes”, hätte diese Aktion nicht überlebt. Das Geschenk Gottes bekam so heftig sein Fett ab, dass er noch heute schlaflose Nächte hat.
Charles, Saskia und ich haben keinen Moment dieser Vorstellung verpasst. Ob Theo mit dem Überleben dieser Tracht Prügel wirklich besser dran war, ist zu bezweifeln. Monatelang wurden uns bei der warmen Mahlzeit Kartoffeln mit einem Petroleumgeschmack serviert. Man kann sich kaum vorstellen, wie das war. Wenn man hungrig an den Tisch ging und ein großer, dampfender Topf mit nach Petroleum stinkenden Kartoffeln auf einen wartete.
Das Elend war wirklich komplett, wenn dazu auch noch Schellfisch serviert wurde. Schellfisch, reichlich mit Gräten versehen, mit Senfsauce und Rote-Bete-Salat.
ENDE
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